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Ziesing Westfaelisches Landwehrregiment 01 rwm depesche 700

(eh) – Moderne Militärgeschichte beschreibt Geschehen nicht mehr vom Feldherrenhügel und auch nicht zwingend mit der Landkarte in der Hand. Sie zeigt vielmehr, welchen Einfluß Krieg auf das Leben des einfachen Mannes und seine Familie hat, wenn er mehr oder minder freiwillig eine Uniform anzieht in den Krieg zieht.

Dirk Ziesing hat mit seinem Buch genau diesen Weg beschritten. Er zeigt – erstmals nach 200 Jahren – die Geschichte des 1. Westfälischen Landwehr-Infanterie-Regiments in den Jahren 1813 bis 1815. Das ist bemerkenswert, da ein Archiv des Regiments nicht mehr existiert. Dabei liegt das Hauptaugenmerk nicht auf sattsam bekannten Personen wie dem Fürsten Blücher, Napoleon I. (s. RWM 16), oder einem simplen Gefechtskalender des Regiments, sondern auf seinen freiwillig angetretenen Soldaten. Ziesing hat in akribischer Arbeit 706 Biographien von Regimentsangehörigen rekonstruiert. Bei einer Gesamtstärke von rund 3000 Mann ist dies rund ein Viertel, nach 200 Jahren ein bemerkenswerter Anteil. Hier scheinen auch überregional bekannte Namen wie von Arnim, von Bodelschwingh, Duden, von Hatzfeld, Krupp, von Puttkamer, von Steuben oder Sybel auf. Eine bemerkenswerte Zahl der Freiwilligen stammt auch aus protestantischen Pastorenfamilien. Diese Lebenswege zeigen anschaulich die sozialen Verhältnisse, aus denen die Regimentsangehörigen stammten. Sie geben so für Westfalen und Teile des Rheinlands die Möglichkeit, in die Zeit weit vor der Industrialisierung zu schauen. 

Ziesing beschreibt in den ersten Kapiteln seines Buches Ausrüstung und Verpflegung, dann die Einsätze in den Jahren 1814 und 1815. Daß die Logistik vor dem Einsatz steht und es sich ohne Uniformen oder Waffen schlecht kämpfen läßt, ist eine Binsenweisheit, die heute aber allzu oft vergessen wird. Die Problematik der Versorgung zeigt Ziesing knapp, aber anschaulich. Auch das Sanitätswesen dieser Zeit war aus heutiger Sicht rudimentär. Das Regiment war unter anderem an den Schlachten von Ligny und Belle Alliance/Waterloo beteiligt. Hier war es in teilweise heftige Kämpfe verwickelt. 

Der Autor zeigt, wo es in zeitgenössischen Dokumenten auftaucht, wo Gedenktafeln und Denkmäler überliefert sind und wie Krieger- und Landwehrvereine die Erinnerung aufrecht erhielten. Die Schilderung der Gedenkfeiern 1863, 1883 und 1913 zeigt, wie sich die Wahrnehmung des Krieges veränderte.

Neben den Biographien geht Ziesing auch auf die Juden im Landwehr-Regiment und den Beitrag der Frauen ein. Juden waren erst seit März 1812 wie alle anderen auch der Wehrpflicht unterworfen – ein Schritt zur Emanzipation. Frauenvereine widmeten sich vor allem der Verwundetenversorgung.

Ziesing schreibt moderne Militär- und Regionalgeschichte von unten. Das Buch ist flüssig zu lesen und informativ, auch wenn man den regionalgeschichtlichen Bezug zu Rhein und Ruhr beiseite läßt. Es eröffnet den Blick in die Lebenswelt des einfachen Soldaten – so soll es sein.

Ziesing Westfaelisches Landwehrregiment 02 rwm depesche 700 

Ziesing, Dirk: Mit Gott für König und Vaterland.

Geschichte des 1. Westfälischen Landwehr-Infanterie-Regiments 1813-1815

Format 17 cm × 24 cm. 330 Seiten, broschiert. Münster 2015

ISBN: 978-3-89688-534-0, Preis (D): 29,80 Euro 

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