Das Kriegsbild war im Reich noch während der ersten Kriegsmonate durch die Publizistik bestimmt, die Rekurs auf den Sieg von 1870/71 nahm. Schnell überstrahlte ein neuer Mythos das Scheitern im Westen.
Von Martin Grosch
2. September, sagen wir im Jahr 1895: Feierlichkeiten allenthalben im Deutschen Kaiserreich. Das Brandenburger Tor ist festlich geschmückt, Paraden, schwarz-weiß-rot beflaggte Häuser und patriotische Reden prägen das öffentliche Bild. Die Kinder haben schulfrei. Ein Nationalfeiertag, wie er im Buche steht. Wie kein zweiter Tag steht der Sedan-Tag für die Erinnerungskultur an den französisch-deutschen Krieg von 1870/71 (s. RWM 02). Alle zwei Jahre wurde die entscheidende Schlacht gegen die Franzosen vom 2. September 1870 bei Sedan noch einmal gedanklich siegreich durchgespielt, ja durchgekämpft. Die nationalen Hochgefühle, der Rausch und die Empfindungen waren real und ergriffen nicht nur die bürgerlichen Kreise im Reich. „Sedan“ war für die Deutschen mehr als nur eine gewonnene Schlacht – es war der Gründungsmythos einer neuen Nation. Deutlich zeigt dies ein Sedan-Büchlein, das zum 25jährigen Jubiläum 1895 in der Reihe „Neue Volksbücher“, die von der „Vereinigung von Freunden christlicher Volksliteratur“ herausgegeben wurden. „Die großen Siege unseres Volkes im Jahre 1870/71“ läßt hier der Autor R. von Restorff noch einmal aufleben. „Für das Vaterland zu leben und zu sterben, ist des deutschen Mannes höchster Ruhm“, betont er gleich zu Beginn, um dann im weiteren Verlauf über Kriegsausbruch und -verlauf den 2. September als „Gottesgericht“ zu glorifizieren und religiös zu überhöhen: ...
Den vollständigen Artikel finden Sie in RWM-Depesche 15 auf den Seite 1034 bis 1037.
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