Im Jahr 1478 traf bei Giornico ein überlegenes, mehrere zehntausend Mann zählendes Mailänder Heer auf einen kleinen Haufen Schweizer unter dem Luzerner Feldhauptmann Frischhans Theiling. Das Ergebnis der Schlacht – ein Sieg der Schweizer. Führte behender Entschluß des militärischen Führers und Ausnutzung des Geländes zum Sieg? Oder ist alles Legende? Erfahren Sie mehr.
Von Hagen Seehase
Es war kalt, bitterkalt. Eine kleine Schar ausgesuchter eidgenössischer Krieger, verstärkt durch zu allem entschlossene Freiwillige aus der Leventina, erwartete den Angriff eines weit überlegenen Mailänder Heeres, dessen Kopfzahl nach Tausenden zählte. Auf den Rat des Leventiner Hauptmanns Stanga stauten die Waffenbrüder den Fluß Tessin auf. Fast der ganze Talgrund verwandelte sich in eine tückische Eisfläche. Die Mailänder hatten bald auf dem glatten Untergrund rutschend ihre Marschformation aufgegeben, als die Eidgenossen und Leventiner, 600 an der Zahl, aus überhöhter Position hinter einer Welle von herabgestürzten Felsbrocken und Baumstämmen angriffen. Frischhans Theiling, der Feldhauptmann der Luzerner, verrichtete Wunder an Tapferkeit, Hauptmann Stanga wurde tödlich verwundet. Er wurde zu seinem Haus getragen, wo er gerade die Siegesnachricht vernahm, als ihn der Tod ereilte. Stanga war neben zehn toten Eidgenossen einer von rund 50 Leventiner Gefallenen, während 1400 Mailänder das Leben lassen mußten.
Soweit kündet die Sage von der denkwürdigen Schlacht bei Giornico (oder Yrnis) am 28. Dezember 1478. Im italienischen Raum ist die Schlacht als Battaglia dei Sassi Grossi bekannt.
Der historische Hintergrund. Mit der Gangbarmachung der Schöllenenschlucht (nördlich des Gotthardpasses) in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurde der Weg über den St. Gotthard zu einem der wichtigsten Transitwege über die Alpen. Um 1450 wurden rund 150 Tonnen Güter jährlich über den Paß transportiert. Größer war seine Bedeutung für den Personenverkehr: auf dem Saumweg überquerten bereits zu Beginn des 15. Jahrhunderts jährlich rund 10 000 Personen und 9000 Saumtiere den Paß. Natürlich waren so auch Truppenbewegungen möglich. Schon 1240 schickten die Schwyzer dem Stauferkaiser Friedrich II. ein Truppenkontingent auf diesem Weg; für diese Hilfestellung bei der Belagerung von Faenza erhielten sie auch die Reichsunmittelbarkeit. Die Strecke von Flüelen am Vierwaldstättersee im Kanton Uri bis Bellinzona ließ sich über die Gotthardroute in mehreren Tagesmärschen bewältigen. Südlich des Gotthardpasses schloß sich die Region Leventina (veraltet: das Livinental) an. Zusammen mit den Regionen Riviera und Blenio bildete die Leventina eine politische und kirchliche Einheit, die „Ambrosianischen Täler“. Sie standen unter der direkten Herrschaft des Mailänder Domkapitels. Das vergab gegen Pachtzins Verwaltung und Rechtspflege an einen Statthalter, den „Podestà“. Die Unzufriedenheit mit der Herrschaft dieser häufig aus der Familie Visconti stammenden Statthalter entlud sich in mehreren Aufständen. ...
Den vollständigen Artikel finden Sie in RWM-Depesche 14 auf den Seiten 990 bis 993.
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